Ein bewegender Blick in die Geschichte: Schüler des Rhön-Gymnasiums treffen Zeitzeugen der SED-Diktatur
Am vergangenen Freitag, dem 20. Juni 2025, unternahmen die 10. Klassen des Thüringischen Rhön-Gymnasiums eine Exkursion zur Gedenk- und Bildungsstätte „Andreasstraße“ in Erfurt.
Die ehemalige Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) der DDR ist heute ein zentraler Erinnerungsort für die Opfer politischer Verfolgung in der DDR – und ein bedeutender Lernort für junge Menschen.
Im Zentrum der Exkursion stand die Dauerausstellung „HAFT – DIKTATUR – REVOLUTION. THÜRINGEN 1949–1989“, die eindrücklich das Unrecht der linken SED-Diktatur und die Lebensrealitäten politisch Verfolgter beleuchtet. Die Schüler wurden in mehreren Gruppen durch die authentischen Haftzellen und die multimedial aufbereitete Ausstellung geführt. Besonders bewegend waren die Berichte über den Mut Einzelner, die sich dem sozialistischen System entgegenstellten – mit oft drastischen Folgen.
Ein Höhepunkt des Besuchs war das anschließende Zeitzeugengespräch, bei dem die Schülerinnen und Schüler die seltene Gelegenheit hatten, u. a. mit Dieter Urban ins Gespräch zu kommen. Herr Urban, 1953 in Erfurt geboren, schilderte eindrucksvoll seinen Weg vom unangepassten Jugendlichen zum politischen Häftling. „Ich war keiner, dem das Rebellischsein in die Wiege gelegt wurde“, erzählte er ruhig, aber bestimmt. In seiner Freizeit traf er sich mit Gleichgesinnten, trug lange Haare und hörte Westmusik – Kleinigkeiten, die im repressiven DDR- Alltag bereits als Provokation galten.
Als er einen Ausreiseantrag stellte, begann die Stasi, ihn zu beobachten. Besonders eindrücklich berichtete Herr Urban von einem Vorfall, der seine Geschichte prägte: beim staatlich inszenierten Luxemburg-Liebknecht-Gedenktag reihten sich mutige Demonstranten mit einem Plakat ein, das das berühmte Zitat Rosa Luxemburgs zeigte: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ Sie wurden verhaftet – doch Urbanreagierte mit einem Brief direkt an Erich Honecker, in dem er deren Freilassung forderte. Solche Eingaben waren selten – und gefährlich. Doch Urban ließ sich nicht einschüchtern. Er schrieb erneut – diesmal auf Plakate, die er in das Fenster seiner Wohnung stellte. Darauf: Forderungen nach Reisefreiheit und Meinungsfreiheit. Dann schlug die Stasi zu. Sie brach in seine Wohnung ein und verhaftete ihn an seinem Arbeitsplatz. Das Urteil: Störung der staatlichen Ordnung, ein Jahr Haft, die Untersuchungshaft war in der Andreasstraße, genau dort, wo heute die Ausstellung seinen Fall dokumentiert.
Schließlich wurde Urban von der Bundesrepublik freigekauft – ein Schicksal, das viele politische Gefangene mit ihm teilen. Seinen Mut und seine Haltung hat er nie verloren – und genau davon konnten sich die Jugendlichen selbst ein Bild machen. „Ich wusste vorher gar nicht, wie gefährlich schon kleine Dinge damals sein konnten“, sagte ein Schüler beeindruckt nach dem Gespräch. Auch die Lehrkräfte zeigten sich tief bewegt und betonten die Wichtigkeit solcher Exkursionen für die politische Bildung.
Am Ende des Tages kehrten die Schüler nicht nur mit historischen Fakten, sondern auch mit einem emotionalen Verständnis für die Bedeutung von Freiheit und Zivilcourage zurück – Werte, die heute selbstverständlich scheinen, aber im Sozialismus unter hohem persönlichen Risiko eingefordert wurden.
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